Rhein-Staffel

Unser Wanderwart ist den Rhein „von der Haustür“ bis in die Nordsee in vier Etappen gepaddelt. Hier seine Eindrücke:

Hochrhein, Oberrhein, Mittelrhein, Niederrhein, Rheindelta

R1-01-Rheinkm-0Quasi mitten im Bodensee, an der „Alten Rheinbrücke zu Konstanz“ beginnt die im Rahmen der aufkommenden Industrieschifffahrt eingeführte und seit 1. April 1939 international gültige Rheinkilometrierung mit dem „Rheinkilometer Null“. Seit September 2013 gibt es dort sogar westlich der Brücke die Kilometertafeln •0• ansonsten findet man im Bodenseebereich keine Hinweise auf diesen Sachverhalt. Nur 1,2 Kilometer Stromab liegt linksseitig das Bootshaus des Kanu-Club Konstanz. Schon oft saß ich auf dem Steg und schaute dem Wasser nach. Irgendwann wird wohl ein kleiner Teil hiervon nach über 1000 Kilometern tatsächlich in die Nordsee fließen. Was mag es wohl auf der Strecke erleben? Was mag man wohl auf der Strecke erleben? Was mag ich wohl auf der Strecke erleben? Anfang September 2010 setzte ich mich für eine Woche in mein gutes, altes Faltboot aus dem Hause „Gebrüder Hammer, Bad Mergentheim“ …

Start im Seerhein

Unser auf 395 Höhenmeter über dem Pegel Amsterdam gelegene, 4300 Meter lange Seerhein weitet sich hinter dem idyllischen Gottlieben (CH) mit dem nur 100 Meter entfernt R1-2-Seerhein-Gottliebengegenüberliegenden Naturschutzgebiet Wollmatinger Ried (D) zum Untersee. Der Untersee des Bodensees liegt etwa 30 cm tiefer als der Obersee, wodurch sich auf dem Seerhein eine leichte Strömung zwischen 1,5 und max. 3 km/h ergibt. Entlang dem linken, Schweizer Unterseeufer geht es vorbei an den hübschen Fachwerkorten Ermatingen, Mannenbach, Berlingen, Steckborn und Mammern. Noch ein paar Paddelschläge u.a. vorbei an dem netten, sehr kleinen Zeltplatz „Seehütte“ des Kanuclubs Schaffhausen in Eschenz und wir verlassen bei der Insel Werd (Franziskanerkonvent neben der St.-Othmar-Kapelle) das stehende Gewässer des Bodensee.

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Der Hochrhein

Bei •24,8• unter der Alten Brücke von Stein am Rhein (CH) beginnt nun auch sichtbar und fühlbar der bedeutendste Strom Mitteleuropas. Die folgenden 150 Kilometer bis Basel werden als Hochrhein bezeichnet. Sie sind landschaftlich reizvoll, die Wasserqualität ist recht gut. Für eine Befahrung sollte man besonderes Augenmerk auf einen gescheiten Bootswagen und leistungsfähige Wander(halb)schuhe haben! Allen 11 Staustufen am Hochrhein gemein ist, das die Umtragestellen eher dezent ausgeschildert sind, außerdem existieren nur sporadisch Kilometertafeln am (deutschen) Ufer, was die Orientierung teilweise erschwert. Die unverzichtbare Jübermann „Wassersport-Wanderkarte 3 / Deutschland-Südwest“ bietet von den Umtragestellen perfekte Kartenskizzen.

02a-WiffenDer Rhein wird bis Schaffhausen mit allem was schwimmt befahren. Zahlreiche Rastplätze liegen am Ufer. Besonders an Sommerwochenenden sehr lebhafter Boots- und Badebetrieb, auf Fahrgastschifffahrt achten! Vorsicht an Brückenpfeilern und den „Wiffen“ genannten Pfählen mit den grün/weißen Tafeln. Kursschiffe können nur auf der grünen Seite fahren, Paddler sollten die weiße Seite bevorzugen. Je nach Wasserstand etwa 6 bis 8 km/h Strömung mit teils stärkerer Kehrwasserbildung.
Hinter der gedeckten Holzbrücke Dissenhofen (CH) / Gailingen (D) wenden Kursschiffe, sofern sie in Dissenhofen anlegen wollen. Vorsicht ist geboten, wenn man ein Fahrgastschiff sieht. Die Strömung wird etwas schwächer. Bei •37,2• rechts lädt der einfache und schöne, auf dem Gebiet der deutschen Exklave Büsingen gelegene, Zeltplatz „Rheinwiese“ des Kanuclubs Schaffhausen zum Übernachten, alternativ kann man bei •43,0• links auf dem professionellen TCS-Camping Schaffhausen sein Zelt aufstellen. Meine Tagesdurchschnittsgeschwindigkeit Konstanz bis Büsingen: 6,0 km/h

02b-Schaffhausen-NebelBei •44,0• rechts müssen wir am Bootshaus des Kanuclub Schaffhausen (CH) (weißes, historisches Gebäude, keine Übernachtungsmöglichkeit!) den Rhein verlassen und unser Boot umtragen. Für die folgende Strecke bis zum Rheinfall gilt ein generelles Fahrverbot. Mit 150 m breite und 21 m Höhe ist der Rheinfall der mächtigste Wasserfall Europas.

R1-Rheinfall-WanderungImmer dem Fußweg entlang der Uferpromenade folgen, immer auf der rechten Rheinseite bleiben! Die ersten Kilometer folgt der Fußweg den innerstädtischen Straßen. Es müssen keine Straßen überquert werden, zwei Unterführungen. Nach ca. einem Drittel der Strecke verlässt man die Straße und nutzt nun einen Wanderweg entlang des Rheins. Nach einem weiteren Drittel passiert man eine Kläranlage, der Weg steigt danach deutlich an. R1-Rheinfall-von-obenMan hört den Rheinfall rauschen und kann ihn auch zwischen den Bäumen schon sehen. Nach dem Ende der Steigung muss man eine Straße überqueren. Jetzt geht es steil bergab, man kommt in den Touristenbereich unterhalb des Parkplatzes. Vorbei an allen Kiosken und Gaststätten, ganz am Ende des Touristenbereichs, erreicht man neben einem Fachwerkhaus die Zufahrt zur Einsatzstelle bei Rheinkilometer •48,7•. Dort lassen auch die Fahrgastschiffer ihre Boote zu Wasser. Für diesen Fußmarsch sollte man mind. 1½ Stunden einkalkulieren, er lässt sich jedoch gut bewältigen, vorausgesetzt das Boot liegt gut ausbalanciert auf einem funktionstüchtigen Bootswagen.

Wieder auf dem Wasser wird es einsam. Die Strömung ist nicht besonders stark. Der Rückstau des ersten Stauwehrs in Rheinau 6 km später ist schon bald bemerkbar. Entweder rechts umtragen oder per Werkstelefon fernbedienten Gleiswagen zum Umsetzten anfordern. (Mittagspause zwischen 12.00 und 13.00 Uhr). Links oder rechts vorbei an der „Schweizer Musikinsel Rheinau“ (hübsches ehem. Benediktinerkloster) folgt nach 3 km ein weiteres Wehr, danach paddeln wir unter der schönen gedeckten Holzbrücke Rheinau (CH) / Altenburg (D) hindurch und erreichen schon nach 900 m das dritte Wehr. Beide links umtragen, oder wieder per Werkstelefon den ferngesteuerten Gleiswagen bemühen.

R1-EglisauDie Schleuse ist seit einem tragischen Unfall 2010 für Kanuten gesperrt. Umtragen ca. 250 m auf einer sehr steilen Gitterrostrampe, oder ca. 400 m auf einem grobgeschotterten Weg. Beide ausgeschildert, beides Mal Wiedereinsetzen schwierig wegen Strömung und Steinen!

Alternativ noch etwas höher links in den ersten Waldweg einbiegen, auch wenn das Wanderschild deutlich mehr Kilometer angibt, steht man nach rund 600 m auf dem Campingplatz Herdern (D), wo die Teilnehmer der jährlich am ersten Septemberwochenende stattfindenden „Hochrheinfahrt“ des Bodensee-Kanu-Ringes jeweils übernachten. Wer diese Variante wählt, hat am nächsten Morgen einen kurzen, unwegsamen und steilen Abstieg zum Rhein bei •79,8• zu bewältigen. Alternativ bietet bei •81,5• der Campingplatz Hohentengen (D) eine schöne, ufernahe Übernachtungsgelegenheit mit überdachten Picknickbänken. Achtung: vor dem (Dauer-) Campingplatz am kleinen Holzschild „Zeltplatz“ ist die einzig sinnvolle Ausstiegsstelle, wenn auch klein und matschig. Meine Tagesdurchschnittsgeschwindigkeit inkl. Umrollern des Rheinfalls, Übersetzen auf Gleiswagen, etc.: 4,1 km/h

An der folgenden Brücke lohnt das historische Kaiserstuhl (CH) mit dem gegenüberliegenden Schloss Rötteln (D) einen kurzen Stopp.
Das Stauwehr von Reckingen •90,2• muss links umkarrt werden. Der Wiedereinstieg ist glitschig, bei höherem Wasserstand ist es angenehmer bei den Treppen am Ende der Umtragestrecke einzusetzen.

Die Strömung ist jetzt anhaltend flott. Rund zwei Kilometer nach dem Wehr ist links ein Schwall, verursacht durch einen unter Wasser liegenden Auslaufstollen. Die folgende Insel kann beidseitig umfahren werden. Bei •96,0• links eine nette, kleine, alte Rheinmühle, rechts gegenüber Kaddelburg (D), die letzte Möglichkeit vor dem „Koblenzer Laufen“ noch einmal problemlos anzulanden, je nach Wasserstand starkes Kehrwasser an der Rampe!

R1-05-KoblenzerLaufen-vonobenRund 1500 m später folgt der „Koblenzer Laufen“, die letzte erhalten gebliebene Stromschnelle des Hochrheins bei Koblenz (CH). Nach einer scharfen Rechtskurve taucht die 600 Meter lange Schnelle über die gesamte Rheinbreite auf, je nach Wasserstand bis WW II (je höher der Wasserstand, desto einfacher, je niedriger, desto anspruchsvoller). Bei höherem Wasserstand immer mittig des linken Drittel halten, den Hauptstromzug suchen. Rund 50 m vom rechten Ufer entfernt ist die Durchfahrt bei jedem Wasserstand möglich, nur etwas sportlicher mit kräftigem Kehrwasser am Ende. Die Mitte des Flussbettes sollte man wegen Felsklippen meiden.
Früher gab es hier noch einen herausschauenden Felsen mit Schweizerfahne obendrauf, leider wurde dieser in den 1980er Jahren gesprengt.

Die später folgende Insel kann beidseitig umfahren werden, rechts ist es etwas ruhiger. Achtung: nachfolgend sind 4 Bojen mehr Unter- als Überwasser verankert. Von links mündet die Aare mit deutlich größerer Wasserzufuhr als der Rhein selbst, jedoch hat er bis hierhin die längere Fließstrecke zurückgelegt, was für die weitere Namensgebung entscheidend ist. Schon kurz danach kommt der Campingplatz Waldshut bei •103,0• rechts mit schlechter Ausstiegsmöglichkeit (neben dem Schiffsanleger der Fahrgastschifffahrt) und gutem Restaurant (Montag Ruhetag), bei •105,2• rechts bietet der WSV Waldshut Wanderfahrern eine Übernachtungsmöglichkeit in seinen Clubräumen, am Steg flotte Strömung!

Spätestens jetzt hat uns die Zivilisation wieder, hinter Waldshut das Schweizer Atomkraftwerk Leibstadt, direkt dahinter das Wasserkraftwerk Albbruck-Dogern •109,4• Links aussetzen, neu angelegter, bequemer Umtrageweg. Für die nächsten 3 km wirkt der Rhein vorübergehend wildromantisch mit Sandufern, bis zur Einmündung der Kraftwerkkanals von rechts mit ziemlich flotter R1-LaufenburgOuerströmung. Vor Laufenburg kann man rechts am Schwimmbad (D) oder links am Schwimmbad (CH) zur lohnenswerten Besichtigung des Ortes anlanden. Durch die historische Laufenburger Brücke im rechten Joch, mit zügiger Strömung und anschließenden Wellen in der Kurve. Hier befand sich der enge, heute gesprengte und überstaute „Kleine Laufen“ (im Gegensatz zum „Großen Laufen“ – dem Rheinfall).

Sofort nach links rüber zum erneuten Umtragen bei •122,1• Guter Ausstieg, ebener Weg, der jedoch hoch überm Unterwasser endet. Das Boot wird mit einer großen, selbstbedienten Gitterplattform rund 15m abgelassen. Für Gruppen spaßig, für Einzelfahrer aufwändig.

Noch ein drittes E-Werk versperrt uns bei •129,5• den Weg zum nächst möglichen Übernachtungsplatz. Das Kraftwerk Bad Säckingen mit links selbst zu bedienendem elektrischen Gleiswagen, den eigenen Bootswagen kann man hier vergessen! Technikskeptische Solofahrer sollten in Betracht ziehen, auf der R1-Bad-Sackingenrechten Seite am Steg des Drachenbootvereins „Hochrheinpaddler“ anzulanden und etwa 500 m eben und bequem auf dem (deutschen) Uferspazierweg umzurollern. Direkt danach ist die mit 203,7 m längste holzgedeckte Brücke Europas (seit anno 1272) sehenswert, Durchfahrt an allen Jochen möglich. Der Ruderclub Bad Säckingen scheidet zum Übernachten aufgrund der gegenüber lärmenden Autobahn eigentlich aus, besser man paddelt noch frei fließende 10 km bis zum Kanuclub WSV Rheinstrom Schwörstadt bei •140,6• rechts weiter.

Im folgenden Stausee ist der „Schwörstadter Laufen“ untergegangen, das Kraftwerk Ryburg-Schwörstadt •143,5• ist problemlos links zu umkarren. Rechts sehen wir dann das Wasserschloss Beuggen, in dem mutmaßlich Caspar Hauser 1815/16 versteckt gehalten wurde. 3 km später folgt das Kraftwerk Rheinfelden, das in den Jahren 2004 bis 2011 vom ältesten Flusskraftwerk Europas zum modernsten umgebaut wurde. Heute kann links gefahrlos umgetragen werden, auch wenn der Übergang für Fische deutlich komfortabler ausfällt, als jener für Menschen. Gegenüber dem alten Ausstieg trotzdem ein wirklicher Fortschritt!

R1b-StAnnaLochDie Brücke von Rheinfelden sollte im rechten Joch durchfahren werden, frühzeitig rechts fahren! Unter dem mittleren Joch befindet sich das „St-Anna-Loch“, an einer Unterwasser liegenden Felskante stürzt sich das Wasser rund 30 Meter in die Tiefe, das ist mehr, als der Rheinfall hoch ist! Die Strömungen und Wirbel unter der Wasseroberfläche sind in dieser Fallzone von großer Wucht und können selbst geübte Schwimmer in die Tiefe reißen. Boote verschluckt das St-Anna-Loch allerdings im Regelfalle nicht. Übrigens ist ein Anlanden für Paddler in Rheinfelden-D unmöglich, in Rheinfelden-CH recht mühsam.

R1-RheinfeldenStromabwärts der Brücke und dem St-Anna-Loch beginnt die Großschifffahrt, das erste „richtige Rheinschiff“ wird wohl nicht lange auf sich warten lassen. Auch die ersten Industrieanlagen kommen ins Blickfeld. Kurz vor dem nächsten Kraftwerk Augst-Wyhlen befindet sich links der nette Campingplatz Kaiseraugst (CH, römisches Amphietheater). Beim Kraftwerk •155,8• sollte man unbedingt nach einer Schleusung fragen! Der Wiedereinstieg im Unterwasser kann nur als haarsträubend bezeichnet werden!!! Eine über Gitterrost-Treppenstufen kleine, sehr wackelige Gitter-Schwimmplattform voll im Auslaufstrom des Kraftwerkes. Für Kajaks ist die Plattform zudem noch deutlich zu hoch, für Kanadier deutlich zu kurz. Abenteuerlich.

Es folgen mit Schweizerhalle, Auhafen und Birsfelden Containerterminals, Kohle und Kies, so wie man sich den Rhein landläufig vorstellt, nur das z.B. ein Schiff „Schwägalp“ heißt irritiert etwas das Klischee. Die Rheinhäfen sind die einzigen Frachthäfen der gesamten Schweiz. Die letzte Hochrheinschleuse Birsfelden befindet sich linkerhand. Auch Umtragen ist möglich, Ausstieg etwas hinter dem Schleusenkanal am Steg des Ruderclub Blau-Weiß Basel, dann einen Teerweg folgend (an der Gabelung links halten) am Schleusenbecken entlang ins Unterwasser. Einstieg etwas schlammig. Zwischen den Schleusenkammern der Pegel „Rheinhalle“, Ersatz für den alten Pegel Rheinfelden.

Basel, drittgrößte Stadt der Schweiz: Leichte Strömung, 5 Brücken, zwischen den Brücken jeweils Seilfähren, ein Rheinschiff, gegebenenfalls noch Wasserskifahrer oder auch Schwimmer, Aufmerksamkeit ist gefragt. Die Baseler Kanuclubs bieten weder Zelt- noch Übernachtungsmöglichkeiten. Es folgt die elegante R1b-Huningen„Europabrücke“ zwischen Weil am Rhein (D rechts) und Hüningen (F links), direkt danach ein kleines ehemaliges Hafenbecken mit Bootssteg. „Camping Au Petit Port Huningue“ •171,6• Nett, dörflich, französisch mit Blick auf „ausländische“ Industrieanlagen. Man könnte shoppen gehen nach Carhartt in Weil, Kultur in Basel genießen, oder einen empfehlenswerten Flammkuchen essen am Hüninger Wildwasserpark „Canal des Eaux Vives“ der mit Rheinwasser gespeist wird. Nur fußläufig Lebensmittel einkaufen kann man in Hüningen nicht.

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Der Oberrhein

In Basel beginnt der rund 350 km lange Oberrhein. Ab Ende des 17. Jahrhunderts wurde der ehemals träge fließende, stark mäandrierende, mit zahlreichen Untiefen versehene, oft verheerende Hochwasser führende Rhein wieder und wieder verlegt und begradigt, später gestaut und letztendlich zu einer heute für Paddler eher weniger attraktiven Schifffahrtsstraße ausgebaut. Es gibt jedoch immer wieder lohnende Abschnitte und zahlreiche teils außerordentlich schöne Altrheinarme. Die Begradigung und somit Verkürzung des Wasserlaufes um fast 100 Kilometer machte ab 1863 eine neue, nun erstmals bis Rotterdam durchgehend einheitliche Rheinvermessung, notwendig. Die „Zentralkommission für die Rheinschifffahrt“ legte den Nullpunkt an der „Mittleren Rheinbrücke zu Basel“ fest. Die damalige Kennzeichnung erfolgte alle 10 km mit Myriametersteinen (1 Myriameter = 10000 Meter).

Zumindest bis zur letzten Staustufe Iffezheim ist weiterhin die Jübermannkarte erste Wahl. Nachfolgend eine Beschreibung des Flussverlaufes unter Umgehung der Großschifffahrtsschleusen, Kajaks werden dort aus Sicherheitsgründen grundsätzlich nicht mitgeschleust.

Bei •174,0• gabelt sich erstmals der Wasserweg. Links der nach dem ersten Weltkrieg erbaute Rheinseitenkanal „Grand Canal d’Alsace“ für die Großschifffahrt mit seiner ersten Staustufe Kembs. Bei •179,0• Umtragen in den Restrhein („Altrhein“ / „Vieux Rhin“) unterhalb Isteiner Schwellen möglich, aber ziemlich mühsam. Für Solofahrer äußerst kräfte- und materialzehrend, für Gruppen eventuell überlegenswert.

Besser rechts das Stauwehr Märkt rechts Umtragen. Auf 50 Kilometern folgt der Restrhein, hierbei handelt es sich um das ursprüngliche Rheinbett wie es durch die Rheinkorrektion nach Plänen von Oberst Tulla entstanden ist. Damals allerdings mit 2 bis 3 Metern mehr Wasser überm Kiesbett. Das allermeiste Wasser fließt heute durch den Rheinseitenkanal. Wenn man Glück hat reicht das R1-RestrheinRestwasser aus um die rund 15 Schwälle des Restreines im Boot sitzend bewältigen zu können. Sonst muss man aussteigen und treideln, was natürlich auf den glitschigen Grobkieseln äußerst mühsam wird. Bei einem Pegel Rheinhalle von 629 hat es für mein beladenes Boot immer gereicht, dreimal wurde es sogar richtig spritzig. Nur die Isteiner Schwellen (zweiter Schwall nach dem Stauwehr Märkt) habe ich rechts umtragen, es handelt sich hierbei quasi um einen „fast trocken liegenden Laufen“ mit Wildwasser II-III und mit einem voll beladenen Faltboot wollte ich da nichts unnötig riskieren.

R1b-RestrheinIn dieser „Petite Camargue d’Alsace“, wie die Franzosen es nennen, ist man meist allein mit üppiger Natur, auch die auf deutscher Seite begleitende A5 bemerkt man eigentlich nur an 2 ganz kurzen Teilstücken. Ein kleines Paradies mit vielen Grobkiesel-Stränden, an dem es jedoch an Übernachtungsmöglichkeiten fehlt. Ein Wildzeltplatz ist äußerst schwer zu finden, mal abgesehen davon das Wildzelten im Naturschutzgebiet natürlich verboten ist. Mir hat die Strecke gefallen.Ein paar Orientierungspunkte: •194,5• Autobahnbrücke / •198,8• Straßen- und Eisenbahnbrücke Neuenburg – Chalampe, / •210,4• Brücke Hartheim – Fessenheim / fünf Kilometer später beginnt langsam der Rückstau des sog. R1-BreisachKulturwehr Breisach, wo bei •224,4• hinter einem großzügigen Steg der Breisacher Ruderverein eine Zeltmöglichkeit bietet. 200 m Flussab befindet sich eine Jugendherberge. Meine Tagesschnitt Hüningen bis Breisach inkl. Umtragen: 5,5 km/h

Die Jugendherberge war nach 7 Paddeltagen Endpunkt meiner ersten und der Ruderclub im August 2012 Startpunkt meiner zweiten Rheinstaffel.

Das Kulturwehr hat eine Selbstbedienungsschleuse. Es lohnt sich jedoch in meinen Augen nicht bei •224,4• Einzubooten, um bei •224,8• zu Schleusen. Das Umrollern vom Übernachtungsplatz aus direkt ins Unterwasser ging bequem und vermutlich flotter. Es folgt ein Stück Oberrhein für alle Schiffstypen in einem rund 200 m breiten Bett, Steinschüttungen am Rand, alles ziemlich begradigt, aber es fließt. Nicht aufregend, nicht lange.

R2-UmtragestellenBei •234,7• folgt die Staustufe Burkheim (links Schifffahrtskanal Schleuse Marckolsheim). Ganz am Ende rechts noch hinter dem Sportboothafen aussetzen an einer Treppe. Bis Iffezheim sind nun alle Umsatzstellen gleichartig ausgeschildert, alle liegen rechts auf R2-Staustufe-Limburgdeutscher Seite! Außerdem erleichtern die inzwischen durchgehenden Kilometertafeln die Orientierung erheblich. Einsetzen über eine sehr steile Rampe in einen kleinen, verwunschenen Zulauf mit glasklarem Wasser, der nach 200m (leider) in den Restrhein mündet, ein richtig nettes Stückchen. Aber wirklich schlecht wird der Altrhein nun auch wieder nicht. Berg und Ruine Limburg mit schönem Ausblick, allerdings sind die 2 festen Stauschwellen nur über Treppen (rechts) zu umtragen, was die Sache für Einzelfahrer etwas verkompliziert.

Es folgen 7 km kanalisierter, frei fließender Rhein, dann wieder rechts hinter dem Sportboothafen bei •249,2• Umtragen an der Staustufe Weisweil (links Schifffahrtskanal Schleuse Rhinau). Aber diesmal bequem über eine Rampe! An der Einsatzstelle lädt der gepflegte Badesee der Gemeinde Weisweil zur Rast. Auch der folgende Altrhein durch das Naturschutzgebiet Taubergießen ist wunderschön, die 3 festen Stauschwellen sind diesmal mittels Rampen einfacher zu überwinden.

An der dritten Stauschwelle kann man den alten Myriameterstein IX entdecken: Nach damaliger Messung 9.0000 Meter von Basel, R2-Myriameterstein73.4450 Meter bis Rotterdam, 18.0072 Meter bis zur Landesgrenze Baden / Hessen, 163,57 Höhenmeter über dem Pegel Amsterdam. Etwas stromauf der aktuell gültige Rheinkilometer •256,5• Ferner lädt hier eine schöne große Schutzhütte zur Rast. 3 km unterhalb liegt auf der linken Seite der „Club Nautique Base de Rhinau“ der irgendwie recht verlassen wirkt, man kommt hier jedoch gut raus, was grundsätzlich eine Seltenheit darstellt. Meine heutiger Tagesschnitt inkl. Umtragen: 4,6 km/h

Nach einem weiteren fließenden Stück Rhein folgt bei •270,3• das Stauwehr Nonnenweiler (links Schifffahrtskanal Schleuse Gerstheim). Es folgen auch hier 2 feste Stauschwellen mit Umtragerampen, dieses Altrheinstück ist jedoch nicht so anmutig wie die Vorhergehenden. Nach dem Gelände der Wassersportfreunde Lahr (Wasserski! etc.) mit kleinem Campingplatz bei •272,4• gibt es trotz freifließendem Wasser lange Arme auf dem 250 m breiten Rhein, hinter dem linksseitigen Damm schauen schon mal Segelspitzen der Segler oder Surfer auf dem riesigen „Plan d‘eau de Plobsheim“ hervor.

Bei •284,0• umtragen in den Marlener Altrhein (links Schifffahrtskanal Schleuse Strasbourg). Hier ist es wieder landschaftlich sehr schön, das Wasser ist recht tief, später überrascht sogar ein kleiner Segelhafen. Am Ende dieses fast Stausees muss noch das Wasserkraftwerk Kehl umrollert werden, wie üblich ganz hinten rechts und ich paddele mit Strömung durch den „Garten der zwei Ufer“ Strasbourg / Kehl. Erstmals seit Basel sieht der Rhein für mich wieder irgendwie richtig nach Rhein aus. Straßburg selbst versteckt sich leider hinter seinen Industrieanlagen und Hochhäusern. Bei •293,6• liegt rechts unmittelbar hinter der Eisenbahnbrücke die Einfahrt in den Sportboothafen, in dem sich wiederum das Bootshaus mit kleiner Zeltwiese der Kehler Paddlergilde befindet. Achtung Kehrwasser bei der Einfahrt. Eine bequeme Rampe liegt irgendwo zwischen den Motoryachten versteckt, die Treppe ganz am Anfang des Hafens sollte man getrost ignorieren. Meine Tagesdurchschnitts-geschwindigkeit inkl. Umtragen: 5,3 km/h

Etwas Strömung, etwas abwechslungsreichere Ufer lassen die folgenden 13 km fast wie im Fluge vergehen. Man könnte bei R2-Ill•308,3• rechts umtragen. Es gibt diesmal parallel eine „französische Variante“ bei •307,1• links. An einer schmalen Treppe aussteigen (kleines Schild „Ill“ mit Kajakpiktogramm), den Damm hinunter rollern und an einer beschilderten breiten Treppe in die Ill einsetzen. Der Einstieg ist etwas verkrautet und schlammig. Dann geht es flott und romantisch 4 km bis zu einer aufgelassenen Schleuse, die fahrtechnisch keine Schwierigkeiten aufweist und schon ist man unterhalb der Schleuse Gambsheim wieder im Rhein, dem ich 14 km folge.

Die allerletzte Umtragestelle liegt rechts bei •332,2• wie auch in der Jübermannkarte verzeichnet. Vielleicht insgesamt noch etwas flotter geht es schon vorher an der Natorampe bei •326,9• An R2-DWKbeiden Stellen hinunter rollern in den Druckwasserkanal, der mit angenehmer Strömung um die Schleuse Iffezheim herumführt. Am DWK liegt bei •331,8• das Bootshaus des Ski- und Kanuclub Baden-Baden, welches allerdings „nicht bewirtschaftet“ sprich verschlossen ist. Es gibt auch keine Telefonnummer, kein Trinkwasser, aber eine gepflegte Wiese hintenrum. Mein Tagesschnitt heute inkl. Umtragen: 6,3 km/h

„Der freifließende Oberrhein ab Staustufe Iffezheim ist ein von der Berufsschifffahrt stark befahrener Abschnitt der Großschifffahrtsstraße Rhein“ schreibt das „Deutsche Flusswanderbuch“ des DKV, welches ich ab hier der Jübermannkarte vorziehe. Besonders die verzeichneten „Fahrtempfehlungen“ fand ich allesamt hilfreich und bin mit ihnen sehr gut gepaddelt. Aufgrund der nun zahlreichen Übernachtungsmöglichkeiten (auch Besichtigungsmöglichkeiten oder optional lohnenden Abstechern in romantische Altrheinarme) möchte ich auf eine weitere detaillierte Beschreibung verzichten und hier nur ein paar subjektive Eindrücke schildern.

R2-IffezheimZuerst einmal wartete ich einen Kilometer oder mehr nach Einmündung des Druckwasserkanals auf die nun sagenhafte Strömung des Rheines. Oberhalb der Gierseilfähre Plittersdorf (D) Selts (F) bei •339,0• setzte sie ein, aber nichts ist es mit „zurück lehnen und Kilometer einsammeln“, wie sich das manche am Bodensee beheimatete Paddler vorstellen. 7 bis 8 km/h Fließgeschwindigkeit mit Strudeln, Pilzen und Wellen erfordern permanente Aufmerksamkeit, die theoretische Strombreite von rund 250 m reduziert sich durch die knapp unter der Wasseroberfläche liegenden Buhnen auf rund die Hälfte.

Immer schön an der Fahrwasserbetonnung orientieren, nicht zu weit von der Fahrrinne abweichen, „Bojenstrich fahren“ lautet das Motto. Und immer mal wieder nach hinten schauen, die modernen Rheinschiffe sind leise, so dass man sie zumindest bei leichtem Gegenwind gerne überhört. So kam ich den ungewohnt großen R2-GegenverkehrSchiffen doch oft näher als mir lieb war und irgendwie kamen sie meist im Rudel. Bei Karlsruhe habe ich gut Wasser aufgenommen, weil ich einem Containerschiff (das ordentlich mit dem blauen Quadrat gekennzeichnet und somit erlaubt auf der falschen Seite fuhr!) nicht weit genug ausweichen konnte. Nix passiert, doch mangels korrekt angelegter Spritzdecke alles nass. Zum Glück folgte kurz darauf eine Natorampe zum Trockenlegen, bei Sonnenschein kein wirkliches Drama. So konnte ich noch gleich das Tulla-Denkmal besichtigen, welches sonst wohl ungesehen an mir vorbei gerauscht wäre. Ich hätte dem guten Oberst Johann Gottfried Tulla in diesem Moment jedoch nicht unbedingt ein Denkmal gesetzt. Meine Tagesdurchschnittsgeschwindigkeit trotzdem beachtliche 10,9 km/h (ohne die Trocknungungsphase).

R2-SandstrandIm weiteren Verlauf wurde der Rhein ruhiger oder ich gewöhnte mich an die Schiffe oder beides. Und ich fahre jetzt konsequent mit geschlossener Spritzdecke. Um Speyer herum tauchen die ersten schönen Strände mit feinsten Kleinkieseln auf, sehr angenehm, Speyer selbst mit seinem Kaiserdom ist natürlich auch sehenswert. Später rechts das Bootshaus des WSV Brühl bei •409,1• am Ausfluss des Ketscher Altrhein. Wohl eines der schönsten Kanuclubgelände am Oberrhein, laut einer verwitterten Inschrift befinde ich mich (fast) mittig zwischen Quelle und Mündung des Rheins. Mannheim bietet Kontraste, das Großkraftwerk ist wirklich R2-Mannheimgroß, gegenüber ein gut frequentierter Badestrand. Die im DKV-Flussführer als heikel geschilderte Zentrumsdurchfahrt Mannheim – Ludwigshafen stellte zum Glück in dem Moment keine größeren Herausforderungen. Am Hafen Ludwigshafen zuvor hatte ich mit deutlich mehr Kreuzgewell zu kämpfen, argwöhnisch durchs Fernglas beobachtet von der Wasserschutzpolizei, die anschließend mit Vollgas davon brauste und mir einige richtig fette Wellenberge überließ. Das Wasser wird optisch etwas trüber, das Flussbett etwas breiter. Der Faltbootclub R2-WormsWorms kurz vor dem Nibelungen-Denkmal bietet mir einen wirklich herzlichen Empfang, es war schön bei Euch!

Das Kernkraftwerk Biblis liegt still und verlassen in einer fast romantischen Umgebung, wie lange bleibt dieses Zeugnis der vergangenen Zukunft? Ich mache mal ein Foto. Die Strände werden sandig, die Idee in Oppenheim Lebensmittel einzukaufen erwies sich als unglücklich, aber die Beine müssen ja auch mal ordentlich was R2-Wiesbaden-Nilgans-Reihertun dürfen. Der Rhein bei Mainz ist jetzt gut 400 m breit, der Main färbt ihn einige Zeit tiefbraun, gewinnt jedoch seine eher grünliche Farbe zurück, die er schon bei uns im Seerhein hat. Der Rhein wendet sich für rund 25 ziemlich sehr lange Kilometer nach Südwest, wird gut 600, teils gar bis zu 1000 Meter breit und bremst unterstützt vom Gegenwind meine Tagesdurchschnitts-geschwindigkeit auf 7,5 km/h.

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Der Mittelrhein

An der Nahemündung in Bingen bei •529,1• beginnt der rund 130 km lange Mittelrhein. Eigentlich das Mittelrheintal. Und somit jenes Stück Strom, welches man im Kopf hat wenn man an den „Vater Rhein“ als Solches denkt. Weinberge, Burgen, Ruinen, im Herzen Europas mal Grenze, mal Brücke der Kulturen. Hier spiegelt sich Geschichte wider, das obere Mittelrheintal ist UNESCO-Welterbe. Neben der wirklich romantischen, teils imposanten Kulisse wird das jetzt wieder enge Flussbett beidseitig von sehr gut frequentierten Bahnlinien und Bundesstraßen sowie von zahlreichen Touristen aus aller Welt belebt. Die Großschifffahrt rückt ein gutes Stück zusammen, hinzu kommt die Weiße Flotte. Richtig was los!
Der Mittelrhein ist paddeltechnisch eher anspruchsvoll, die Kanuclubdichte nimmt rapide ab, es gibt weiterhin ein paar Ruderclubs. Vor den Ruderern auf dem Mittelrhein habe ich Hochachtung. Das Flusswanderbuch empfiehlt, das die Kleinschifffahrt (also auch wir Kajakfahrer) ab •520• vorzugsweise rechts unmittelbar an der roten Fahrwasserbetonnung fährt. Somit kommt man gar nicht an der Nahemündung vorbei, es hat sich als gut erwiesen!

Ich paddle entsprechend am rechtsrheinischen Geisenheim (vor dem bekannteren Rüdesheim, noch am Oberrhein gelegen) vorbei, beim dortigen Wassersportverein beginnt im August 2014 meine dritte siebentägige Rheinstaffel. In Geisenheim mussten übrigens bis ins Mittelalter alle Lastschiffe des Oberrhein enden, bis in das unterhalb Bingen quer zum Fluss verlaufende Quarzitriff eine erste schmale Schiffspassage gesprengt werden konnte. Weitere Sprengungen folgten, seit der letzten Maßnahme in den 1990er-Jahren und einem neu erbauten Leitwerk ist das Binger Loch praktisch verschwunden. Was geblieben ist, ist die Strömung welche R2-Binger-Lochbei Mittelwasser oberhalb etwa dem Tempo eines Spaziergängers am Ufer entspricht, während sie unterhalb so stark wird, dass die Markierungstonnen zur Begrenzung des Fahrwassers gischtende Bugwellen erzeugen. Ich verbringe 2012 einen netten Abend mit einem anderen ebenfalls allein reisenden Faltbootfahrer und eine laute R2-VollmondVollmondnacht beim Ruderverein Bacharach (die Güterzüge rattern quasi mitten durchs Zelt). Und ich fahre mich so richtig fett auf dem Weg zum linksseitigen Anlanden auf einer Kiesbank mitten im Strom fest. Auf den Altrheinstücken habe ich ständig damit gerechnet, hier muss ich tatsächlich erstmals aussteigen! Später vom Ufer aus kann man unterhalb der Kiesbank noch im Strom liegende Felsen entdecken und erkennt, warum die etwa 100 m breite Fahrrinne so betonnt ist, wie sie es ist. Das geht in Richtung Wildwasser.

Am nächsten Mittag flott über die Fahrrinne wieder zurück nach rechts (ohne Grundberührung) wo ich dann mit etwas Herzklopfen aber letztendlich gut und sicher und trocken am berühmten R2-555-LoreleyLoreleyfelsen vorbeitreibe. An der Loreley bei •555• (der eigentliche Wortursprung bedeutet übrigens: Lore = Elfe oder Kobold, Ley = Schiefer), halbiert sich das Flussbett auf nur etwa 130 Meter Gesamtbreite und geht dafür bis zu 25 m in die Tiefe. An dieser engsten und tiefsten R3-Loreley-WelterbeStelle des großschiffbaren Rheins herrscht zugleich mit bis zu 11 km/h über Grund die schnellste Strömung. Da kann man nicht einfach so durchschrubben, das ist schon etwas Besonderes. Es beeindruckt mich, wie auf diesen „Wildfluss“ riesige Schubverbände fahren.

Zudem waren es die letzten Meter meiner zweiten Rheinstaffel, von der ich vorher nicht so recht wusste, wo sie enden wird. Beim Ruderclub WSV St. Goar •556,0• war nach 8 Paddeltagen Schluss. Das überqueren vom rechten Ufer durch welliges, starkströmendes Wasser an den linksseitigen Rudersteg direkt zwischen „riesigen“ Schiffsanlegern der Weißen Flotte war dann noch einmal eine Herausforderung der besonderen Art. Hier kann man keinesfalls gegen den Stromzug anpaddeln, treibt ziemlich ab, alles muss auf R2-Whine-ChristmasAnhieb zielgenau passen. Nachdem ich flott mein Boot auf den Steg gezogen hatte, legte oberhalb die Bingen-Rüdesheimer Fahrgastschifffahrt an, der Rudersteg schaukelte dermaßen, dass ich das Gleichgewicht verlor und fast in den Rhein abgeworfen worden wäre. Später nehme ich mein Boot auseinander, um am Morgen danach mit dem Zug heimzufahren. Die letzte Nacht einer Faltboot/Bahn-Wanderfahrt verbringe ich gerne in einem Haus, so kann man alles in Ruhe trocken verpacken und hat morgens kein nasses Zelt, kein unnötiges Gerödel.

Zwei Jahre später liegt der Wasserstand beachtliche 1,67 Meter R3-Kaub-12höher, nur knapp unterhalb der „Hochwassermarke Eins“ (HW I bedeutet laut RheinSchPV [Rheinschifffahrtspolizeiverordnung], dass sich alle maschinengetriebenen Wasserfahrzeuge bei der Talfahrt möglichst in Fahrwassermitte und bei der R3-KaubBergfahrt im mittleren Drittel der Strombreite zu halten haben. Sog und Wellenschlag sind zu vermeiden, die Höchstgeschwindigkeit der Fahrzeuge darf gegenüber dem Ufer 20 km in der Stunde nicht überschreiten). Die Farbe ist ein mekongartiges graubraun, die Fließgeschwindigkeit ist vielleicht noch etwas zügiger, das Wasser ist saukalt. Ich bleibe diesmal wie empfohlen dauerhaft rechtsseitig und zelte bei •557,0• auf dem Campingplatz „Loreleystadt“ St. R3-Start-Goarshausen-von-oben-2Goarshausen. Wahrlich die entspanntere Routenwahl. Am nächsten Tag schaue ich mir das Ganze von oben an, wandere die sogenannte „Königsetappe“ des Rheinsteig Kaub – Goarshausen (22 km / um die 1000 Höhenmeter). Dort oben sind wesentlich mehr Fußwanderer unterwegs als unten Wasserwanderer. Nach diesem Prolog erkunde ich den weiteren Verlauf des Rheins wie gehabt in meinem 1965er Hammer Wandereiner.

R3-BoppardHinter der größten heute noch existierenden Rheinschleife Boppard wird das Tal wieder breiter, das Wasser etwas ruhiger. Später grüßt rechts die Marksburg (einzige niemals zerstörte mittelalterliche Höhenburg am Rhein), dann links das stolze Schloss Stolzenfels, Rheinromantik vom Feinsten, von Ferne denke ich zuerst allerdings es handele sich um irgendein Industriegebäude, was mit an einem Baugerüst um den Turm liegen könnte. Schon bin ich in Koblenz. R3-Koblenz-DeutschesEckÜber dem Deutschen Eck an der Moselmündung hängen tiefschwarze Wolken, das sieht irgendwie ungemütlich aus! Der kleinere, rechte Rheinarm um die Insel Niederwerth verspricht mehr Wetterschutz, ich treffe dort auf einen Paddler der mir Unterschlupf im Bootshaus des Freien Wassersportverein Vallendar gewährt. Kaum sind wir (das Boot und ich) im Haus, geht das Unwetter los. Das gibt einen gemütlichen Lesenachmittag auf dem Sofa im Clubraum. Der Blick aus dem Seitenfenster in Gleishöhe auf die leicht gebogenen Bahnbrücke hat etwas Besonderes: wenn ein Zug kommt, donnert dieser frontal in die Couchgarnitur hinein. Atemberaubend.

Als ich anderntags Neuwied passiere, bin ich angesichts der riesigen, steilen Treppe doch froh, dass ich mein gestriges Ziel nicht erreichen konnte. Im beschaulichen Uferpark von Niederhammerstein •618,6• mache ich Rast und kaufe beim örtlichen Winzer noch ein letztes Mal eine Flasche Rheinwein, in Kürze werden die Weinberge welche seit dem Bodensee häufig die Ufer säumen hinter mir liegen. R3-Godesberg-DrachenfelsIch passiere die berühmte Ludendorff-Brücke von Remagen, bzw. die davon übrig geblieben Brückenportale. Danach wird das Panorama noch einmal richtig spektakulär, das Siebengebirge mit dem Drachenfels liegt voraus, ich umpaddle die Insel Nonnenwerth linksseitig und genieße R3-Godesberger-KCfür ein paar Meter einen etwas intimeren Rhein. Direkt gegenüber Königswinter mit Burg Drachenfels und Haus Petersberg liegt der Godesberger Kanu-Club wohltuend abseits vom Verkehrslärm. Zwei Grundstücke Stromab lädt das schöne Rüngsdorfer Freibad ein, daneben befindet sich im Bootshaus des Wassersportvereins das wohl beste Ristorante meiner gesamten Rheinfahrt. Am nächsten Morgen beeindruckt die rechtsseitige Ansicht von Oberkassel mit seiner gelungenen modernen Architektur und das linksseitige Bonner Panorama.

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Der Niederrhein

An der nördlichen Bonner Stadtgrenze, der Siegmündung 44 Höhenmeter über dem Amsterdamer Pegel beginnt offiziell der Niederrhein bei •660,0• welcher sich rund 200 km bis zur Niederländische Grenze erstreckt. Er durchfließt den größten Ballungsraum Deutschlands, die Kanuclubdichte steigt entsprechend, nicht immer ist allerdings eine Übernachtung möglich. Wenn doch, dann hoch über dem Wasserspiegel, was weite, steile Wege notwendig macht. Nun gibt es keine Fahrwasserbegrenzungen mittels Bojen mehr, die Großschifffahrt kann die gesamte Strombreite mit einer (bei Niedrigwasser) garantierten Wassertiefe von 2,10 m nutzen. Dafür werden die Buhnenköpfe mit Barken gekennzeichnet, gerade wenn sie überspült sind hilfreich. Es ist sinnvoll jeweils in der Innenkurve zu paddeln, für die nötigen Querungen sollte man gut 500 Längenmeter einkalkulieren. Besonders Stromauf (nach hinten) blickend sollte dabei möglichst kein Motorschiff zu sehen sein, Talfahrer sind verdammt schnell und meist kaum zu hören. Die Landschaft ist flach, häufig ländlich geprägt mit Wiesen und Weidenbäumen, gelegentlichen Sandstränden, mit Pferden und Kühen, mit Schafen, Gänsen, Anglern, Gassigehern, Joggern und Radfahrern, doch es gibt auch große bis riesige Industriekomplexe, besonders zwischen Krefeld und Wesel. Der Rhein hat sich inzwischen zu einer der verkehrsreichsten Wasserstraßen weltweit entwickelt. Auf dem Niederrhein paddelt man akustisch trotzdem wieder ruhiger als auf dem Mittelrhein. Zumeist konnte ich mit einer Tagesdurchschnittsgeschwindigkeit über 10 km/h rechnen. Als regionale Getränkespezialität gibt es im ersten Drittel Kölsch, im weiteren Verlauf bis zur holländischen Grenze Alt, in Zons beides.

Ich durchquere die einzige Millionenstadt am Strom, was R3-Koln-Kranhäuserletztendlich fast eine komplette Tagesetappe in Anspruch nimmt, hierbei beeindruckt nicht nur das zweithöchste Kirchengebäude Europas, respektive dritthöchste der Welt. Hinter Köln folgt rechtsseitig das Werksgelände des bekannten Chemie- und Pharmakonzern R3-bei-Dormagenmit erfolgreicher Fußballmannschaft, danach mutet der Rhein für längere Zeit recht ländlich an. Später schaue ich mir links das mittelalterliche Zons an, es liegt nicht unmittelbar am Ufer, doch ich laufe ja gerne. Der dortige Myriameterstein LV ist derart verwittert, das leider nichts mehr zu erkennen ist.

Die Düsseldorfer Skyline lässt länger auf sich warten, nach kurzem „ah“ und „oh“ wird das Paddeln für mich nicht mehr wirklich R3-Dusseldorf-3entspannt, ich las mal irgendwo was von „wie Fahrrad fahren auf der Autobahn“. Genauso fühle ich mich zwischen der rechtsseitigen Ufermauer mit stakt beschleunigtem Wasser und den dicht hieran bergauffahrenden Schiffen, einmal gar drei nebeneinander. Das gibt gescheite Wiederwellen. Eigentlich sollte ich mich links in der Innenkurve befinden, doch keine Chance zwischen dem Betrieb irgendwie lebend die Seite zu wechseln. Also Augen weit auf und durch. So habe ich ziemlich flott die zweitgrößte Stadt am Rhein durcheilt. Später in Kaiserswerth •755,1• kann man prima hinter der Rheinfähre anlanden und das historische Örtchen besichtigen. Vor allem gut einkaufen oder vielleicht mal etwas Japanisches zu Mittag versuchen. Die Beschaffung von Selbstversorger-Lebensmitteln ist leider in zahlreichen rheinangrenzenden Innenstädten ein echtes Problem, in Kaiserswerth nicht.

R3-UerdingenAb Krefeld-Uerdingen •760• werden die Ufer für rund 50 Kilometer vorwiegend großindustriell geprägt, durchaus auch ganz spannend. Der Rhein ist jetzt zwischen 350 bis 450 Meter breit, das Paddeln wirkt subjektiv etwas zäher. Selbst wenn man vielleicht noch gar nicht übernachten möchte, der „Kajakhafen“ •772,4• vom Wanheimer Kanu-Club zwischen Industrieanlagen im grünen R3-Duisburg-Nachtgelegen ist schon sehenswert. Ein gutes Etappenziel mit der vollen kanutouristischen Bandbreite: Im WKC gäbe es die Rheinlust-Terrassen, richtige Herbergszimmer, Frühstück und für Gäste sogar einen kleinen Swimmingpool im Garten, das Gelände der benachbarten Freien Wasserfahrer Duisburg-Süd lag mir persönlich noch ein wenig besser mit supergepflegtem Zeltrasen, schönster Sitzgelegenheit, wunderbar ruhiger Lage und einer äußerst zuvorkommenden Begrüßung.

Stromab befinden sich anderntags rechterhand „versteckt“ die Duisburg-Ruhrorter Häfen, sie gelten zusammengenommen als größter Binnenhafen der Welt. Ich paddle deshalb ab Wanheim R3-Idyllelinksseitig und wenn nicht gerade ein Kohleschiff aus der Ruhrmündung (zugleich Haupt-Hafeneinfahrt) Stromauf eingebogen wäre, hätte ich da rein gar nichts von mitbekommen. Schade eigentlich, das hätte ich mir irgendwie spektakulärer vorgestellt. Ab Duisburg gilt bis zur Niederländischen Grenze bei der Großschifffahrt die „geregelte Begegnung“, hierbei geht die Talfahrt stets am rechten Ufer zu Tal, die Bergfahrt am linken Ufer zu Berg. Das macht die Sache einerseits übersichtlicher, andererseits fahren die großen Pötte soweit an den Rändern, das es dringend geboten erscheint, konsequent die Innenkurven zu paddeln, da gibt es etwas mehr „Luft“. Die Fahrrinne von jetzt garantierten 2,80 m Tiefe erstreckt sich über die gesamte Strombreite. Besonders wenn eines der „Veerhaven“ Schubverbände mit 4 bis 6 Schubleichtern mit bis zu R3-Veerhaven16.500 Tonnen Trockenmassengütern für die Stahlindustrie beladen „angedampft“ kommt, ist Obacht geboten. Der Sog neben den Schubverbänden ist ebenso gigantisch wie die kraftvollen Wellenberge hinter dem Motorschiff. Da geht man besonders mit einem eher schwerfällig voll beladenen Kajak besser in Deckung. Ich vermute gar, man würde vielleicht in der Strommitte fast am stressfreisten paddeln, aber das traue ich mich nicht auszuprobieren. So gibt es wiederum einige Querungen.

Hinter Wesel sind häufiger Buhnen, in die man statt zu queren zur Not auch reinschlüpfen kann oder muss. Auf der letzten Etappe meiner dritten Staffel hatte ich zudem so starken Gegenwind, dass das Ganze echt in Arbeit ausartete, mein recht hoch aufbauendes Boot gehorcht über 5 Beaufort eher dem Wind als dem R3-KuhePaddelschlag. So erschienen mir Querungen nicht mehr ratsam, was allerdings auch daran liegen könnte, das der Rheinstrom kontinuierlich breiter wird. Die Großschiffe fahren meist trotzdem am Rand. Das nie in Betrieb gegangene Kernkraftwerk Kalkar, welches jetzt den Freizeitpark Wunderland Kalkar beherbergt, mutet schon irgendwie wunderlich an, am gegenüber liegenden Ufer ein idyllischer Bauernhof. Irgendwann erreiche ich doch noch mein Ziel mit einem Tagesschnitt von „nur“ 6 km/h. Man wird verwöhnt! Dem Tipp von R3-Emmerich-Natorampeunterwegs folgend steige ich an der rechten Natorampe bei •850,5• aus, rollere diese hoch zum Segelflugfeld, an der Kreuzung laufe ich links immer schnurgerade durch zum Emmericher Kanuverein. Dieser bequeme, rund 1200 Meter lange Fußmarsch erspart mühsames Hochschleppen des voll beladenen Bootes auf einer langen, steilen Treppe. Da Wind und Sonne hervorragend trocknen ist schon nach 1½ Stunden alles bahnfertig verpackt, ich lasse ein Pizzataxi kommen und den Gedanken freien Lauf:

2010 paddelte der Schweizer Corrado Filipponis in bis heute gültiger Rekordzeit von 7 Tagen, 10 Stunden, 16 Minuten in einem Einerkajak die Strecke von Chur bis Hoek van Holland, zeitgleich mit mir schwimmt (!) 2014 der Deutsche Andreas Fath die Strecke von der Quelle bis zur Mündung in nur 25 Etappen, begleitet unter anderem von einem Kajak. Ich bin jetzt inzwischen vom südlichsten zum nördlichsten deutschen Kanu-Verein am Rhein zusammengerechnet 22 Paddeltage netto unterwegs gewesen. Ohne Helferteam, ohne jegliche Rekordgedanken in drei Staffeln, bei weitem nicht einzigartig, frei dem Motto: „Der Weg ist das Ziel, Umwege erhöhen die Ortskenntnis“. Beim nächsten Mal soll es von Emmerich aus in die Nordsee gehen, mal sehen vielleicht in 2 Jahren …

… schrieb ich vor 4 Jahren. Es kam eine Schulter-OP dazwischen, das Rheinprojekt hat mich aber nie so ganz losgelassen, 2016 ging es noch einmal für 5 Tage auf den Hochrhein bis Hüningen [https://kanu-club-konstanz.de/wordpress/hochrheinfahrt-plus/] und 2018 ist es tatsächlich so weit: Der vierte und letzte Teil meiner Rheinstaffel startet Anfang August beim Reeser Kanu-Club bei •837,7•
Diesmal paddle ich mit meiner Tupperschüssel „Valley Sirona 16.1 RM“ zusammen mit einer kleinen, internationalen Rheinanrainer-Gruppe aus der Schweiz, aus Baden, aus dem Elsass, aus Holland und drei Nicht-Rheinanrainern aus Sigmaringen an der Donau. Hatte ich beim letzten Mal Hochwasser, so herrscht dieses Mal „mittleres Niedrigwasser“, fast dürre. Es hat seit mehreren Wochen keinen Tropfen geregnet. Der Pegel Rees beträgt 95 cm, die Schiffe sind nicht mehr voll beladen, die „Veerhaven“ schieben nur noch 4 Schubleichter und verursachen weniger Wellen. Zwischen den Buhnen ist es seicht bis trocken, der Rhein hat 27°C Wassertemperatur, aber außer ein paar Hunden badet niemand. Bei •858• machen wir links an einem deutschen Sandstrand im Schatten eines Baumes Mittagspause und schauen auf den gegenüberliegenden ersten niederländischen Rheinstrand. Dort, wie an vielen noch folgenden Stränden gehen die Menschen ins Wasser.

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Der Rhein in den Niederlanden

… heißt für die ersten paar Kilometer ‘Boven Rijn‘ und gabelt sich bei •867• 70% Rheinwasser fließen linkerhand in die ‘Waal‘ welche später zur ‘Boven Merwede‘, weiter zur ‘Beneden Merwede‘ sowie (südlich) zur ‘Oude Maas‘ und (nördlich) zur ‘Noord‘, später ‘Nieuwe Maas‘ wird, auf der sich ein Großteil der Rheinschifffahrt bewegt. Letztendlich strömt bei •1036• rund die Hälfte allen Rheinwassers als ‘Nieuwe Waterweg‘ in die ‘Nordzee‘. Dort liegt das 630.000 Einwohner zählende Rotterdam mit dem größten Tiefwasserhafen Europas. Das Hafengebiet reicht knapp 40 Kilometer von der Innenstadt bis an den ‘Hoek van Holland‘ und nimmt etwa 100 Quadratkilometer Fläche ein, die für Paddler absolut Tabu sind. Außer geduldet auf der rechten (nördlichen) Seite des neuen Wasserweges, der heute der einzige permanent offene Durchfluss des Rheins in das Meer darstellt.
Unterwegs, zum Ende der ‘Boven Merwede‘ biegen noch einmal rund 25% Rheinwasser als ‘Nieuwe Merwede‘ ab, welche in das ‘Hollandsch Diep‘ und das ‘Haringvliet‘ übergeht. Dieser Teil bildet den südlichsten und mit bis zu 3 km breitesten Rheinmündungsarm.
Etwa 30% Rheinwasser biegen bei •867• nach rechts in den ‘Pannerdensch Kanaal‘ der sich nach 11 Kilometer noch einmal teilt: Westwärts in den ‘Nederrijn‘ der später zum ‘Lek‘ wird und gebremst durch 4 Schleusen ebenfalls zur ‘Nieuwe Maas‘ strebt, sowie Nordwärts in die ‘Gelderse Ijssel‘, die bei •1006• ungestaut in das ‘Ijsselmeer‘ mündet.
Alle Mündungsarme sind jeden vollen Kilometer mit etwas kleineren Schildern als in Deutschland gekennzeichnet, alle jeweils bezogen auf die alte Konstanzer Rheinbrücke.

Es gibt also Möglichkeiten, die beim Blick auf eine Karte mit Ausnahme der Ijssel häufig Gegenwind erwarten lassen. Anders als bei vielen anderen Flussmündungen im Gezeitenbereich gibt es am Rhein wenig Sedimentablagerungen, die Ufer sind nicht verschlickt oder total grundlos, ein Ausstieg ist somit für Paddler meist möglich. Außerdem ist allen gemein, das in den Niederlanden ein generelles Rechtsfahrgebot auf Wasserstraßen besteht – auch für Paddler (!!) was durchaus vom Rijkswaterstaat (RWS) kontrolliert wird. Berufsschiffer dürfen allerdings jetzt wieder mit einem gesetzten blauen Quadrat auf der linken, also falschen Seite fahren.

Wildzelten ist in den Niederlanden verboten, Kanuclubs sind kaum anzutreffen und eher den jeweiligen Mitgliedern vorbehalten. In manchen Jachthäfen kann nach Rückfrage beim Hafenmeister gezeltet werden, pauschal sollte man sich darauf aber nicht verlassen. So muss mit Campingplätzen vorliebgenommen werden, die auch in unserem nördlichem Nachbarland bei oft deutlich höheren Preisen leider nur selten über paddlergerechte / kleinzeltgerechte Ausstattung verfügen.

Es gibt in den Niederlanden richtig gute und detaillierte Wasserwegkarten auf denen auch Häfen und Campingplätze eingezeichnet sind. Vielleicht findet man deshalb kaum detaillierten Fahrtbescheibungen für Rheinpaddler, weder gedruckt noch online. Oder liegt es am vermeintlich dichten Schiffsverkehr?

Der Boven Rijn wird immer breiter und plötzlich stehen bzw. fahren Schiffe optisch quer zur Fließrichtung. Das muss die Gabelung sein, an der der Rhein seinen Namen verliert.

Wir würden gerne in den linken Arm, doch das scheint einfach quer rüber keine gute Idee, alles bisschen unübersichtlich. Also paddeln wir erstmal rechts weiter in den Pannerdensch Kanaal, überqueren diesen nach 100, 200 Metern rechtwinklig und paddeln wieder ordentlich auf der rechten Seite zurück, um die Spitze herum in die Waal, die zu Anfang gut beschleunigt und wellt und einiges schmaler als vermutet ist. Der Schiffsverkehr verringert sich gefühlt erheblich, die Landschaft wirkt einsam und weiterhin links lieblicher als rechts. Schon erreichen wir bei •871• den Campingplatz Waalstrand bei Gendt. Randvoll belegt und eigentlich ausgebucht, sehr ruhig, sehr gepflegt, rückblickend mit der besten Ausstattung der diesjährigen Tour, aber mühsam zumindest bei niedrigem Wasserstand Boote aus- und wieder einzuwassern. Heutiger Tagesschnitt (ohne große Pause): 7,4 km/h

Am nächsten Morgen durchqueren wir die Hansestadt Nijmegen, die oberhalb sehr hoher Kaimauern thront, ansonsten Strände mit Pferden, Kühen, Gänsen, Möwen, Störchen und manchmal badenden Menschen, eine auch akustisch sehr ruhige, entspannte Etappe. Die Schiffe stören überhaupt nicht, verursachen allerdings in Kombination mit den Buhnen zahlreiche, teils recht hohe Wellen. Ich bin froh um meine Bootswahl. Bei •889• sieht der Camping de grote Altena brauchbar aus. Hinter Tiel (wo man vermutlich gut anlanden könnte) erreichen wir theoretisch bei •919• den hinterm Deich liegenden Campingplatz Zinnewijnen. Praktisch müssen wir hinter •918• unmittelbar vor dem Parallel-Leitwerk  (Streckdamm) am Sandstrand aussteigen und 1,3 km rollern. Das auskundschaften sowie das Anmeldeprozedere braucht mindestens anderthalb Stunden. Nicht empfehlenswert! Zumal es insbesondere auf der linken Flussseite augenscheinlich wunderschöne Wildzeltmöglichkeiten geben dürfte. Angler meinten am nächsten Morgen, am Waal würde bei Kajakfahrern durchaus ein Auge zugedrückt … Heutiger Tagesschnitt ohne Mittagschlaf und ohne Kanuwandern: 8,1 km/h

Auch der dritte Tag ist wieder sehr entspannt. Nach einer markanten Autobahnbrücke (A2) und der dahinter linksseitig liegenden hübschen Stadt Zaltbommel mit nahe dem Ufer liegenden Albert Heijn Supermarkt wird die Waal zusehends breiter. Die Fließgeschwindigkeit nimmt ab, die Gezeiten sollen sich langsam bemerkbar machen, jedenfalls weichen die Deiche und die Uferböschungen werden deutlich flacher. Der Schiffsverkehr ist eigentlich nur noch Kulisse. Bei •943• sieht rechts der kleine Camping de Zwaan neben einer flügellosen Windmühle recht nett aus, wir paddeln aber noch weiter bis in den linksseitigen Museumshafen von Woudrichem direkt hinter der Einmündung (aufpassen, etwas unübersichtlich) der ‘Afgedamde Maas‘ bei •953• wo man an einer Rampe sehr gepflegt aussteigen kann und im dahinter liegenden Camping de Mostardpot zwanglose Aufnahme findet. Tagesschnitt heute: 6,7 km/h

Ab der Maasmündung fließt der Rhein nun als Boven Merwede weiter, bleibt breit und außerordentlich leise trotz zunehmender Industrialisierung am Ufer. Bei •960• teilt er sich abermals, rechts geht der Hauptzug als Beneden Merwede weiter, wir biegen jedoch nach links in die Nieuwe Merwede ab. Nur 2 km später, direkt hinter dem Beatrixhaven (für große Binnenfahrtschiffe) biegt links das ‘Steurgat‘ ab, der Hauptwasserweg in den ‘Biesbosch‘ (Übersetzt Binsenwald, eine Art holländisches Taubergießen). Hinter der Schleuse öffnet sich eine komplett andere Welt. Anfangs recht romantisch surren bald zig kleine Außenbordmotoren um uns herum und verursachen kleine Kabbelwellen und eine Lautstärke, wie wir es auf der Waal oder der Merwede nie erlebt haben. Es mag an dem schönen Wetter liegen – wir haben den heißesten Tag des Jahres 2018 in den Niederlanden – oder an der durch die hohe Wassertemperatur extreme Verkrautung, die alle, auch uns, zwingt auf dem Hauptdurchfluss zu bleiben. Die hübschen kleinen Fließe links und rechts sind unpassierbar. Etwas entnervt und komplett durchgeschwitzt erreichen wir mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5,2 km/h den Bauernhof Biesboschhoeve auf der Insel de Vischplaat der einen kleinen, autofreien Zeltplatz für Wasserwanderer anbietet. Bequemer Ausstieg an einer kleinen Rampe im Schilf rechts der Steganlage. Der Platz und das eiskalte „Schneewittchen“ (½ 7up und ½ Bier) entschädigen vollauf! Wir treffen erstmals auf andere Paddler.

In der Nacht kommt ein Wetterwechsel, ab jetzt haben wir typisches holländisches Wetter mit Regenschauern und Sturmböen. Wir beschließen trotz Gegenwind von 11 Knoten (20 km/h, 4 bft) weiter zu paddeln, nach 1½ Kilometern erreichen wir am linken Ufer der Amer etwas Windschatten und arbeiten uns vor, bis wir bei •980• wieder die Nieuwe Merwede erreichen. Der Wind steigert sich bis gegen 16 Knoten (30 km/h, 5 bft) und wir landen notfallmäßig nahe dem Moerdijkbrug-Monument an und machen erstmal 2 Stunden Mittagspause. Das Problem ist, das wir uns auf der falschen (linken) Seite befinden, voraus liegt das große Hafen- und Industriegebiet Moerdijk mit Containerterminal, Ölraffinerie, sowie fast der gesamten niederländischen Zuckerproduktion. Als die Schaumkronen etwas abflachen, queren wir 1000 m ans andere Ufer direkt parallel der Eisenbahnbrücke, was den Vorteil hat, das der Schiffsverkehr exakt definiert nur durch 2 Joche bergauf und 2 andere Joche talwärts fährt. So können wir das Ganze besser abschätzen und die rund 10 Brückenpfeiler geben zumindest psychologisch etwas Sicherheit bei den unangenehmen Seitenwellen. Schon einen Kilometer später müssen wir nur noch die ‘Dordtsche Kill‘ queren, den stark befahrenen Wasserweg nach Dordrecht. Und durch eine gewisse Gruppendynamik paddeln wir nicht weit genug Flussaufwärts um gescheit rechtwinklig queren zu können. Das wird für die langsameren unserer kleinen Gruppe echt knapp, zum Glück erkennt der Binnenschiffer unser Vorhaben und kann im letzten Moment etwas ausweichen. Da später der überwiegende Binnenschiffsverkehr links Richtung Antwerpen fahren wird, ist nur noch der Gegenwind Thema und wir kämpfen uns mit einem Dreierschnitt 15 km längst flacher Steinschüttungen, die für das dahinter liegende Naturschutzgebiet als vorgelagerte Wellenbrecher fungieren. Die Rheinkilometrierung endet mit •983• das Hollandsch Diep war bis zum Bau der Deltasperrwerke 1971 ein Meeresarm. Inzwischen bestehen auch die letzten 45 km nur noch aus süßem Rheinwasser. In der Marina Numansdorp (rechts 500 m vor der Haringvlietbrücke) erhalten wir gastliche Aufnahme und für die heutige Paddelleistung Anerkennung.

Auf dem folgenden Haringvliet gibt es Ost- also Rückenwind, leider nicht so stark wie gestern. Gegen Mittag schläft er ganz ein und es beginnt ordentlich zu regnen. Das Wasser ist wieder klarer und fast so schön grünlich wie vor 28 Etappen im Seerhein, der Himmel ist so trüb, das man an der Einfahrt in den Hafen von Hellevoetsluis nichts vom nahen Delta-Sperrwerk Haringvlietdam sieht. Man könnte meinen, es ginge ewig so weiter, bis England … Und würdest Du den Rhein noch einmal paddeln?
Sofort! Traum wäre durchgängig an einem Stück.
© 2018, Text und Fotos Wolfgang Schönwald